Oase Weihnachtsheft 2021

14. Dezember 2021 / Oase Gruppe / Allgemein

Geschichten aus der Vergangenheit und Träume für die Zukunft – frohe Weihnachten


Normalerweise würden Sie jetzt eine Weihnachtskarte in Ihren Händen halten. Die Oase Gruppe sendet jedes Jahr zu Weihnachten allen Menschen, die in den verschiedenen Oasen leben oder arbeiten, ihren Angehörigen und allen Freunden und Geschäftspartnern, eine Weihnachtskarte. Mit viel Liebe ausgewählt, soll sie jeweils unseren allerherzlichsten Dank aussprechen. Unseren Dank für die Mitarbeit, die gemeinsam erlebten Momente, die Ideen, die Freude, die Gespräche und alles, was wir im Alltag miteinander erleben dürfen.
Normalerweise. Denn dieses Jahr wollen wir den Weihnachtsgeist noch mehr stärken. Dazu haben wir Geschichten von Bewohnenden und Mitarbeitenden zusammengetragen, die alle dem Geist des Festes folgen. Gleichzeitig haben sich unsere «Wichtel» auf den Weg gemacht und Herzenswünsche gesammelt. Herzenswünsche unserer Bewohnenden, die wir im neuen Jahr zu erfüllen versuchen – und auch

Sie als Leserin oder Leser sind dazu eingeladen. Wenn Sie sich von einem bestimmten Wunsch angesprochen fühlen, lassen Sie es uns wissen und lassen Sie uns gemeinsam für dessen Erfüllung sorgen – damit Weihnachten dieses Jahr noch weihnachtlicher wird und dem Fest der Liebe alle Ehre macht.
Doch bevor Sie nun eintauchen in die Welt der Geschichten und Träume, lassen Sie mich unseren grössten Dank aussprechen, an alle unsere Mitarbeitenden, die Oase-Bewohnenden, die Angehörigen, die freiwilligen Helfer, an unsere Geschäftspartner und alle weiteren Personen, die mit der Oase in Verbindung stehen.
In diesem Sinne: Frohe Weihachten und ein besinnliches, wunderbares Fest!

Beatrice Tschanz
Präsidentin Verwaltungsrat

Elisabeth Villiger Leitung Oase Gruppe

Weihnachten vor 80 Jahren – oder 17 Tafeln Schokolade


Weihnachten – eine Jahreszeit, die bei vielen Menschen ganz unterschiedliche Emotionen hervorruft. Eine Zeit, die sehr individuell erlebt wurde und entsprechend auch unterschiedliche Erinnerungen birgt. Lesen Sie hier die Geschichte von Esther Kunz, einer Seniorin der Oase Rümlang.

Weihnachten 1941. Zwei Jahre zuvor waren meine Eltern, beide Missionare der Basler Mission, mit bangen Gefühlen und schweren Herzens zu ihrer zweiten Reise nach China aufgebrochen. In Europa war gerade der Zweite Weltkrieg ausgebrochen, China lag im Krieg mit Japan und es war ganz ausgeschlossen, als ganze Familie auszureisen. So blieben wir Kinder im Kinderhaus der Mission in Basel. An Weihnachten 1940 verloren meine Eltern ihr Leben, beim Bombardement ihres Hauses durch japanische Flugzeuge.

Nun also Dezember 1941. Noch immer wütete der Krieg und hatte sich von Europa aus über den Erdball ausgeweitet. Basel befand sich in einer bedrohten Lage, so nahe der Grenze mit Deutschland und Frankreich. Wie sollte man da Weihnachten feiern? Unsere Hauseltern waren entschlossen, uns Kindern ein wunderschönes Weihnachtsfest zu bieten mit dem Wenigen, das es trotz Rationierung gab. Ein Krippenspiel sollte aufgeführt werden, für Verwandte und Bekannte, die am 23. Dezember zu uns ins Haus kommen sollten. Logischerweise gab es da ein kleines Gerangelum die besten Rollen. Wir Mädchen hatten alle lange Zöpfe, die musste man nur auflösen, und schon hatte man eine ansehnliche Engelschar beieinander – und Hirten gab es möglicherweise mehr als damals in Bethlehem.

Der erste Advent war stets eine grosse Geschichte. Am Vortag wurde statt der Lampe im Speisesaal der Herrnhuter Stern montiert, der ein festliches Licht auf uns warf. Auf dem Frühstückstisch stand an jedem Platz ein Mandarinli mit einer brennenden Kerze. Das war zu jener Zeit echter Luxus. Das Fest kam näher, man probte, sang und musizierte. Man bastelte und versteckte kleine Geschenke, die man untereinander austauschen würde.

Dann endlich der Tag des Festes. Der Speisesaal war vollbesetzt mit Bekannten und Verwandten, die gekommen waren, um unser Krippenspiel zu sehen. Unseren Text hatten wir längst auswendig gelernt, die Kostüme (lange weisse Nachthemden) waren bereit, Josef und Maria betrachteten stolz ihr Kind (eine Puppe) in der Krippe. Das Spiel ging glatt über die Bühne, denn wir alle wussten, dass dies nur der Auftakt war. Kaum waren die Gäste verabschiedet, ging es eine Etage höher, wo die Bescherung stattfi nden sollte. Dort stand eine grosse Überraschung für uns alle bereit: ein bunt geschmückter Christbaum, der sich sachte drehte und dazu «Oh du fröhliche» spielte. Danach ging es ans Auspacken der Geschenke, wobei meine Schwester und ich viel mehr Päckli hatten als andere. Bekannte, Freunde unserer Eltern und völlig Unbekannte hatten ihre Schokoladenrationen für uns aufgespart, sodass wir zum Schluss sage und schreibe 17 Tafeln Schokolade beisammenhatten. Schokolade war damals eine Rarität, es gab sie fast nie. Und so wurde die erste Weihnacht nach dem Tod unserer Eltern eine reich beschenkte und vor allem eine süsse.

Esther Kunz

Die Legende vom Weihnachtsbaum  


Grüne Zweige, funkelnde Lichter und liebevolle Dekoration: Es gibt wohl kein stärkeres Symbol für Weihnachten als den Weihnachtsbaum. Doch wussten Sie, dass immergrüne Bäume bereits lange vor dem Christentum und den Weihnachtstraditionen Ende Dezember eine besondere Bedeutung hatten? Unsere Bewohnerin Verena Bregenzer nimmt Sie in diesem Beitrag mit auf den Weg der Legende vom Weihnachtsbaum.

Von der Antike bis zum heutigen Tag

Bereits in der Antike hängten die Menschen in den kalten Monaten immergrüne Zweige und Fichtenzweige als Glückssymbol über ihre Türen und Fenster. Denn in vielen Ländern glaubte man, dass diese Zweige Hexen, Gespenster, böse Geister und sogar Krankheiten fernhalten würden. Dabei findet sich dieses Ritual in allen Gesellschaften auf der gesamten Nordhalbkugel. Hier, wo die kürzesten Tage des Jahres, die sogenannte Wintersonnenwende, auf den 21. und 22. Dezember fallen, dachte man in der Antike, dass die Sonne ein Gott sei und dass dieser während des Winters schwach und krank geworden sei. Deshalb feierte man auch die Sonnenwende – den Einzug der Zeit, in der es diesem Gott wieder besser ging. Der moderne Weihnachtsbaum, wie wir ihn heute kennen, wurde im 16. Jahrhundert in Deutschland entwickelt, als die Christen die Bäume in ihre Häuser brachten und schmückten. Damals wurden die Bäume traditionell mit Rosen, Äpfeln, Oblaten, Lametta, das ebenfalls von den Deutschen erfunden wurde, und Süssigkeiten geschmückt. Im 18. Jahrhundert war der Weihnachtsbaum mittlerweile in ganz Deutschland beliebt und die Beleuchtung mit Wachskerzen war in den Städten des wohlhabenden Rheinlands üblich. Im 19. Jahrhundert galt der Weihnachtsbaum dann bereits als Ausdruck der deutschen Kultur, vor allem bei den Auswanderern aus Übersee.

Doch die Beliebtheit des Weihnachtsbaumes hat sich auch weit über Deutschland hinaus verbreitet: Im 20. Jahrhundert war der Weihnachtsbaum in Amerika genauso beliebt wie in ganz Europa. Amerika beherbergt heute sogar einen der meistbesuchten Weihnachtsbäume der Welt, den Rockefeller Center Christmas Tree. Diese Tradition wiederum geht auf das Jahr 1931 zurück, als ein kleiner, ungeschmückter Baum von Bauarbeitern in der Mitte der Baustelle aufgestellt wurde. Zwei Jahre später wurde dort ein weiterer Baum aufgestellt, diesmal jedoch mit funkelnden Lichterketten. Heute ist der riesige Baum im Rockefeller Center mit über 25 000 Lichtern geschmückt und ein Wahrzeichen von New York City.

Symbol für Freude und Glück – weltweit

Eine Sache ist ebenso klar wie bemerkenswert zugleich: Die Tradition des Weihnachtsbaums bringt jedes Jahr aufs Neue Millionen von Menschen Freude, ganz unabhängig von Alter, Herkunft, Hautfarbe oder Glaube. Viele fühlen sich durch den Anblick eines geschmückten, leuchtenden Weihnachtsbaums sofort «heimelig», irgendwie beglückt.

Doch eins darf dabei nicht vergessen werden: Für viele ist Weihnachten eine schwierige Zeit – und dieses Jahr ist es vielleicht noch schwieriger als sonst. Die Menschen haben Freunde oder Familienmitglieder verloren, die Einsamkeit hat zugenommen und für manche wird diese teure Zeit des Jahres durch schwere finanzielle Belastungen noch härter. Lassen Sie uns also während der Weihnachts- und Festzeit auch an diejenigen denken, die weniger Glück haben als wir. Lassen Sie uns alle gemeinsam den Bedürftigen mit Freundlichkeit und Toleranz begegnen und den Mitmenschen helfen, die es nötiger haben als wir. Lassen Sie uns am Weihnachtsabend jemandem, der allein ist, einen Platz am Esstisch anbieten. Denn nur so kann der Weihnachtsbaum seinen wahren Zauber entfalten und die Tradition und Legende des immergrünen Baums gelebt werden.

Verena Bregenzer

Johann Wolfgang von Goethe, 1749–1832


Bäume leuchtend, Bäume blendend, 

Überall das Süsse spendend.

In dem Glanze sich bewegend,

Alt und junges Herz erregend –

Solch ein Fest ist uns bescheret.

Mancher Gaben Schmuck verehret;

Staunend schaun wir auf und nieder,

Hin und Her und immer wieder.

Aber, Fürst, wenn dir’s begegnet

Und ein Abend so dich segnet,

Dass als Lichter, dass als Flammen

Von dir glänzten all zusammen

Alles, was du ausgerichtet,

Alle, die sich dir verpflichtet:

Mit erhöhten Geistesblicken

Fühltest herrliches Entzücken.

Johann Wolfgang von Goethe,
1749–1832

Schenken leicht gemacht – Herzenswünsche zu Weihnachten


Weihnachten, das Fest der Liebe. Die Zeit des Jahres, in der viele von uns sich besinnen und ihren Fokus auf das Gute und die Gemeinschaft legen möchten. Darüber hat sich auch das gesamte Oase-Team Gedanken gemacht und ein einzigartiges Projekt ins Leben gerufen: Wir erfüllen Herzenswünsche – und laden Sie dazu ein, mitzumachen.

Wir alle haben ihn: den einen Herzenswunsch. Die eine Sache, die wir so gern noch erleben möchten. Besonders bei älteren Menschen sind diese Herzenswünsche klarer denn je und doch oft nicht mehr ohne Hilfe zu erreichen. Genau da wollen wir ansetzen und haben unsere Bewohnenden dazu aufgefordert, uns ihre offenen Herzenswünsche zu nennen. Und nun setzen wir alles daran, ebendiese zu erfüllen, wobei wir uns über jegliche Hilfe Ihrerseits freuen. Schauen Sie sich die Wünsche an, vielleicht ist einer dabei, bei dem genau Sie den Schlüssel zum Gelingen in der Hand haben.

Noch einmal ins Espenmoos zum FC St. Gallen
Erwin Serwarts ist neben dem Espenmoos aufgewachsen und hat in seiner Jugend nie ein Spiel des FC St. Gallen verpasst. Um sich die Eintrittskarte als kleiner Junge leisten zu können, sammelte er leere Flaschen rund um das Stadion. Heute verfolgt er alle Spiele des FCSG am Fernsehen und es gibt nichts, was Erwin Serwart nicht über die Mannschaft, ihre Spieler und den Trainer weiss. Einen jungen Spieler verfolgt er dabei ganz besonders: Tim Staubli. Kürzlich hat er eine Autogrammkarte von ihm per Post erhalten und vor lauter Freude seinen Herzenswunsch laut geäussert: Mal wieder ein Spiel live sehen, ein Bier trinken und eine OLMA-Bratwurst essen können, das wärs!

Der Oldtimer und die Oldtimer
Peter Kunz zählt mit seinem Geburtsjahr (1942) zur selben Kategorie wie seine Lieblinge: zu den Oldtimern. Denn es gibt nichts, was seine Augen stärker strahlen lässt als alte Fahrzeuge und Motoren. Vom Ford Model T (1908) über den Rolls-Royce Phantom (1925) bis zum Alfa Romeo 8C (1938) gibt es kaum ein Oldtimer-Modell, über das Peter Kunz nicht etwas zu berichten weiss. Angefangen hat damals alles mit seiner grundsätzlichen Begeisterung für Autos, und über die Zeit entstand dadurch seine Leidenschaft für Oldtimer. Es ist daher auch keine grosse Überraschung, dass er nur einen einzigen Herzenswunsch hat: Noch einmal eine Oldtimer-Ausstellung besuchen und die Objekte seiner Begeisterung noch einmal von Nahem betrachten. Das wäre himmlisch!

Von Oase zu Oase
Auch wenn Ruth Schneeberger das Leben in der Oase Eff retikon sehr geniesst, vermisst sie doch ihren Bekannten aus früheren Tagen sehr. Dabei teilen die zwei eine Sache: Sie beide wohnen in der Oase, sie jedoch in Eff retikon und er in Obergösgen. Ihr Herzenswunsch ist es, ihn wieder einmal in seiner Oase besuchen zu gehen und gemeinsam eine wunderbare Zeit zu verbringen.

Noch einmal nach Hause, auf den Weissenstein
Wolfgang Taufenbachs (1940) Wunsch mag simpel klingen, doch für ihn ist es eine Herzensangelegenheit: Noch einmal auf den Weissenstein gehen. Denn auf diesem Berg hat er nicht nur unzählige Stunden verbracht, er hat auch gleich nebenan gelebt. Der Weissenstein ist so quasi sein Hausberg, und diesen Ort noch einmal zu sehen, das fände er mehr als wunderschön.

Ein Besuch am Bodensee
Hanni Bolliger wohnt heute in der Oase am Rhein, und eines der Dinge, die sie sehr schätzt, ist die Nähe zum Wasser. Doch es gibt ein Gewässer, das sie noch mehr vermisst: den Bodensee. Schon immer hat dieser sie fasziniert und sie verbindet viele schöne Momente und Erinnerungen damit. Deshalb ist ihr Herzenswunsch, an einem schönen, sonnigen Tag an den Bodensee zu fahren und seine Pracht noch einmal live zu geniessen.

Ein Essen in der «Alten Badi»
Monika Karl lebt in der Oase am Rhein und ist mit dem Essen sehr zufrieden. Doch das Hafenrestaurant «Alti Badi» in Arbon vermisst sie trotzdem sehr. Direkt am See gelegen, mit gutbürgerlicher Küche, die auf der wunderschönen, grossen Terrasse genossen werden kann, ist es der Ort, den sie so gerne noch einmal besuchen würde. Ein Besuch in diesem Restaurant, das ist ihr Herzenswunsch.

Musik für Herz und Seele
Klassische Musik ist die grosse Leidenschaft von Mirtha Peier (1933). Bach, Vivaldi und Tschaikowski: Alles was die Welt der Klassik zu bieten hat, erfreut ihr Herz und ihre Seele. Und so ist ihr grösster Herzenswunsch, wieder einmal ein Konzert mit klassischer Musik zu besuchen.

Schwerelos im warmen Wasser
Als sie noch jünger war, gehörte der Besuch im Thermalbad bei Ruth Leuthold zur regelmässigen Routine. Sie liebt es, sich im warmen Wasser treiben zu lassen und dabei das Gefühl der Schwerelosigkeit zu geniessen. Doch heutzutage kann sie selbst nicht mehr ins Thermalbad, sondern braucht jemanden, der sie begleitet. Und damit ist ihr Herzenswunsch auch schon beschrieben: Ein Besuch im Thermalbad, das wäre ihr eine riesige Freude.

Auf Rädern auf den Berg
Früher unternahm Erwin Sommer wann immer möglich Ausflüge in die Berge. Es gibt für ihn nichts Schöneres, als Zeit in der Natur zu verbringen und nach dem Aufstieg die wunderbare und majestätische Aussicht zu geniessen. Heute braucht er jedoch einen Rollstuhl zur Fortbewegung und das Wandern ist für ihn nicht mehr möglich. Sein Herzenswunsch ist daher so klar wie das kristallklare Wasser eines Bergsees: Noch einmal einen Berg-Ausflug unternehmen, der auch im Rollstuhl möglich ist.

Der süsse Klang von Violinen
Vroni Roost mag Musik. Ganz egal welcher Art, klangvolle Musik beschwingt sie und bereitet ihr ausnahmslos Freude. Doch es gibt einen Klang, den sie ganz besonders mag: den süssen Klang von Violinen. Ihr Herzenswunsch ist es deshalb, noch einmal ein Violinkonzert zu besuchen und wieder einmal voll und ganz in der Musik aufzugehen.

Die sich wandelnde Bedeutung von Weihnachten


Die Bedeutung von Weihnachten kann so vielfältig wie wir Menschen sein. Und sie kann sich über die Zeit verändern. Wie sich ebendiese Bedeutung für Aline Suter, unsere Mitarbeiterin in der Oase Effretikon, über die Jahre gewandelt hat und weshalb, erzählt sie Ihnen im folgenden Beitrag.

Wie wohl für die meisten Kinder, so waren auch für mich Weihnachten die schönsten Feiertage des Jahres. Den Beginn der Adventszeit verband ich nur mit dem Adventskalender, mit dem ich die Tage bis zum Heiligabend abzählte. Am aufregendsten war dabei das Erwachen am Morgen des 24. Dezember. Das lange Warten bis zum Abend erschien mir jedes Mal wie eine gefühlte Ewigkeit. Mein Bruder und ich waren jedes Mal so aufgeregt, dass es mindestens ein- bis zweimal wegen sinnloser Streitereien zu heftigen Tränen kam. Wurden wir dann gefragt, was passiert sei, so zeigten wir jeweils beide mit dem Finger auf den anderen.
Zuweilen ging mein Bruder so weit, dass er alle Scheren im Haushalt einsammelte und versteckte, so dass ich am Abend meine Geschenke nicht aufschneiden konnte. Für mich war das eine Katastrophe, denn auf nichts freute ich mich mehr: die Geschenke auszupacken und damit zu spielen. Wenn ich heute als Erwachsene darauf zurückblicke, hat sich meine Einstellung um ganze 180 Grad gedreht. Ich bin vom Rausch der Spielzeugträume hin zur Besinnlichkeit gewandert und verspüre heute viel mehr das Bedürfnis, andere zu beschenken und ihnen etwas Gutes zu tun.

Diese Veränderung begann mit dem Tod meiner Oma, kurz vor Weihnachten, als ich 14 Jahre alt war. Ihre Abwesenheit war so präsent, ich fühlte wie nie zuvor, dass etwas fehlte. Etwas, das für den Zusammenhalt wichtig war, und ich wusste, dass es ohne sie auch nie mehr so sein würde wie früher. Ich musste immer an sie denken und vermisste sie einfach sehr stark. Sie war auch die treibende Kraft gewesen, die uns in die Mitternachtsmesse brachte. Daher war es nicht weiter verwunderlich, dass im Jahr ihres Todes zu Weihnachten niemand zur Messe ging.
Heute liebe ich es, mit meiner Familie und meinen Freunden gemeinsam zu feiern, sie zu beschenken und ihre Freude zu spüren und in ihren Gesichtern zu sehen. Die herzlichen Umarmungen, die darauf folgen, sind das grösste Geschenk für mich – auch wenn wir uns jedes Jahr gegenseitig dazu ermuntern, keine Geschenke zu machen. Es braucht nämlich so wenig, um jemandem ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, und ist ganz leicht. Denn am Ende des Tages reicht einfach nur ein Zeichen für: Hey, ich habe dich lieb und denke an dich. 

Aline Suter