Wissen schafft Verständnis – und Verständnis öffnet Herzen

Ein Beitrag von Dr. Esther Oberle, Psychologin und Unternehmerin

Das Leben eines Menschen gleicht einem Mosaik: bunt und vielgestaltig, zusammengesetzt aus Erinnerungen, Erfahrungen und Gefühlen. Mit der Demenz beginnen manche Steinchen zu verrutschen – und doch bleibt das Bild nie ohne Schönheit. Denn Gefühle, Wärme und die Spuren gelebten Lebens bleiben bestehen.

Genau hier setzt Demenzkompetenz an. Sie bedeutet, nicht auf die Lücken zu schauen, sondern das Ganze im Blick zu behalten. Es geht darum, Menschen mit Respekt, Empathie und Wissen zu begleiten und Räume zu schaffen, in denen sie sich trotz aller Veränderungen sicher und geborgen fühlen.

In der Schweiz leben derzeit rund 156’900 Menschen mit Demenz – und mit jedem einzelnen sind auch Angehörige, Freunde und ganze soziale Netze betroffen. Demenz geht uns alle an, fordert uns alle heraus.

Darum vermitteln wir unseren Mitarbeitenden Demenzkompetenz: die Fähigkeit, Menschen in dieser besonderen Situation professionell, liebevoll und würdevoll zu begleiten.

Demenzkompetenz ist vielschichtig. Sie besteht nicht nur aus theoretischem Wissen oder praktischen Fähigkeiten – sie ist eine Haltung, die alle Mitarbeitenden prägt. Sie lässt sich in drei Ebenen beschreiben:

Wissen – Wer versteht, wie Demenz entsteht, wie sie verläuft und welche Veränderungen damit verbunden sind, kann gelassener reagieren. Wissen schafft Sicherheit – für Betroffene, Angehörige und Mitarbeitende.

Fertigkeiten – Theorie allein genügt nicht. Es braucht die Fähigkeit, im Alltag sensibel und lösungsorientiert zu handeln: Kommunikation anpassen, Strukturen schaffen, Orientierung geben und in schwierigen Situationen Ruhe bewahren.

Haltung – Das Herzstück der Demenzkompetenz. Eine respektvolle, empathische und wertschätzende Haltung stellt nicht Defizite, sondern den Menschen mit seiner Geschichte und Persönlichkeit in den Mittelpunkt.

Es reicht nicht, wenn einzig Pflegefachpersonen und Aktivierungstherapeut:innen geschult sind, denn jede Begegnung zählt:

  • die Empfangsmitarbeiterin, die Angehörige freundlich empfängt
  • der Hausdienst, der einem Bewohner den Weg zeigt
  • die Köchin, die durch vertraute Gerüche Erinnerungen weckt
  • die Podologin, die durch Berührung Sicherheit gibt
  • der Mitarbeiter des technischen Dienstes, der dem Bewohner die Zimmerlampe repariert
  • usw.

Demenzkompetenz betrifft alle, weil Menschen mit Demenz auf jede kleine Geste, auf jedes gemütliche Ambiente oder auch auf jede hektische, stressige Stimmung reagieren – oft intensiver als auf Worte.

Warum ist Demenzkompetenz so wichtig? Demenzkompetenz dient nicht nur den Betroffenen, sondern auch den Menschen, die begleiten:

  • Professioneller Umgang: Sicherheit im Verhalten, klare Kommunikation und einfühlsame Reaktionen schaffen Vertrauen.
  • Unterstützung für Angehörige: Mitarbeitende können kompetent Auskunft geben, Orientierung und Entlastung bieten.
  • Selbstreflexion und Burnoutprophylaxe: Wer versteht, warum jemand so handelt, reagiert gelassener und schützt damit auch sich selbst. Schulung bedeutet also nicht nur Wissensvermittlung, sondern auch Stärkung der eigenen Ressourcen.
  • Gesellschaftliche Verantwortung: Eine demenzfreundliche, tolerante Haltung verändert das Klima im ganzen Haus für Betroffene, Angehörige und Mitarbeitende.

Die Oase Gruppe setzt konsequent auf regelmässige Schulungen aller Mitarbeitenden. Ziel ist:

  • einen professionellen, würdevollen Umgang mit Menschen mit Demenz,
  • Sicherheit im Kontakt mit Angehörigen,
  • und gleichzeitig die Gesundheit und Widerstandskraft der Mitarbeitenden zu stärken.

So entsteht eine Kultur, in der Betroffene sich geborgen fühlen, Angehörige Vertrauen haben und Mitarbeitende mit Freude und Sinn ihre Arbeit erfüllen. Jede Begegnung hinterlässt einen Eindruck bei Menschen mit Demenz. Deshalb ist es entscheidend, dass jede und jeder im Haus über Grundwissen, Verständnis und vor allem die richtige Haltung verfügt.

Neben internen Weiterbildungen für Mitarbeitende bietet die Oase Gruppe auch Informationsveranstaltungen für Angehörige und Interessierte an.

Gedanke zum Schluss: Demenzkompetenz bedeutet, den Menschen zu sehen – nicht die Krankheit. Sie ist der Schlüssel, damit Nähe, Würde und Geborgenheit bleiben. Mit Wissen und Herz verwandeln wir Versorgung in liebevolle Begleitung.

Dr. Esther Oberle, Psychologin und Unternehmerin
Dr. Esther Oberle, Psychologin und Unternehmerin

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